Arbeit/Wirtschaft —   ETH Zürich / Publiziert am Donnerstag, 15. Dezember 2022

Energiekrise belastet die Wirtschaft weiterhin


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Die Energiekrise, die auf breiter Front gestiegene Inflation sowie das Auslaufen von Aufholeffekten nach der Corona-​Krise schickten die internationalen Konjunkturindikatoren bereits vor einer Weile auf Talfahrt. Für diesen Winter bzw. das erste Halbjahr 2023 ist in einigen Ländern mit einer sinkenden gesamtwirtschaftlichen Produktion zu rechnen. Die Schweizer Wirtschaft wird sich dem nicht ganz entziehen können. Sie dürfte aber aufgrund ihrer vergleichsweise hohen Widerstandskraft eine Rezession abwenden, doch das Produktionsniveau dürfte stagnieren. Gemäss Prognose der KOF steigt das reale Schweizer BIP im Durchschnitt dieses Jahres um 2.1% (bereinigt um grosse Sportanlässe), im Jahr 2023 aufgrund der erwähnten Stagnation im ersten Halbjahr nur um 1% und im Jahr 2024 wieder um 1.7%.

Inflation wird wieder sinken
Die Teuerung in der Schweiz ist zuletzt wegen eines Rückgangs der Erdölpreise wieder etwas gesunken. Mit rund 3% liegt sie zwar deutlich unter der Teuerung in anderen europäischen Ländern, aber deutlich über dem Inflationsziel der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Im ersten Quartal 2023 werden regulierte Energiepreise angehoben, was zu einem weiteren Teuerungsdruck führen wird. Das Auslaufen von Basiseffekten wird im Jahresverlauf 2023 dann zu einer sinkenden Inflation führen. Für 2022 erwartet die KOF einen Anstieg der Konsumentenpreise von 2.9%, für 2023 von 2.3% und für 2024 von 1.1%.

Kein spürbarer Anstieg der Arbeitslosigkeit – Reallöhne sinken in diesem Jahr
Aufgrund der konjunkturellen Eintrübung wird sich der Boom am Arbeitsmarkt zum Jahresende abschwächen und der Beschäftigungsaufbau abflachen. Diese schwächere Beschäftigungsdynamik führt dazu, dass die Arbeitslosigkeit nicht mehr weiter sinken wird. Allerdings erwartet die KOF auch keinen spürbaren Anstieg der Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosenquote gemäss dem Konzept der International Labour Organization (ILO) dürfte in diesem Jahr 4.2% betragen. Für die Jahre 2023 und 2024 prognostiziert die KOF 4.1% bzw. 4.3%.
Die Reallöhne dürften im Jahr 2022 um 1.3% sinken da die Sozialpartner die unerwartetet hohen Inflationssteigerungen nicht in ihren Lohnverhandlungen einpreisen konnten. Angesichts der immer noch hohen Inflation dürften die Lohnabschlüsse im kommenden Jahr höher ausfallen als zuvor. Auch führt die gute Arbeitsmarktlage trotz der konjunkturellen Schwächephase dazu, dass die Lohnsteigerungen die inflationsbedingten Kaufkraftverluste ausgleichen, mit einem prognostizierten Anstieg der Reallöhne um 0.1% 2023 und um weitere 0.6% 2024.

Schlechte Konsumentenstimmung – doch coronabedingte Nachholeffekte stützen
Die durch das SECO erhobene Konsumentenstimmung erreichte im Oktober einen neuen historischen Tiefstand. Gleichwohl wird der private Konsum mit prognostizierten 4.1% im Jahr 2022 kräftig zulegen, wofür insbesondere statistische Überhangseffekte aus dem Vorjahr und Nachholeffekte nach der Coronapandemie in der ersten Jahreshälfte 2022 verantwortlich waren. Im Verlauf des Jahres 2023 dürften die Zuwächse beim Konsum aufgrund des Rückgangs des real verfügbaren Einkommens unterdurchschnittlich ausfallen. Die gute Arbeitsmarktlage und anhaltende coronabedingte Nachholeffekte verhindern allerdings eine Stagnation. Für das Gesamtjahr 2023 prognostiziert die KOF eine Zunahme des privaten Konsums um 2%.

Exporte dürften in der zweiten Jahreshälfte 2023 wieder an Fahrt aufnehmen
Die Exporte dürfte sich im ersten Halbjahr 2023 wegen der schwachen internationalen Konjunktur flach entwickeln. Gleiches gilt für die Importe. Mit dem prognostizierten Wiederaufschwung in Europa in der zweiten Jahreshälfte 2023 dürften auch die Exporte wieder an Fahrt aufnehmen. Für das Gesamtjahr 2023 prognostiziert die KOF eine Zunahme der Exporte um 2.1%, nach 4.7% in diesem Jahr. Für das Jahr 2024 dürften die Exporte um 5.3% wachsen.

Risiko einer Energiemangellage ist gesunken
Das Risiko einer Energiekrise in der Schweiz und anderswo in Europa ist zuletzt gesunken. Gründe hierfür sind – neben dem niedrigeren Energieverbrauch aufgrund der Konjunktureintrübung – die milden Temperaturen im Herbst, ergiebige Regenfälle sowie mutmasslich fortschreitende Anstrengungen beim Sparen von Energie und beim Wechsel auf weniger knappe Energiegüter. Neben dem Energiekrisenrisiko bestehen die üblichen Abwärtsrisiken. So könnten beispielsweise die Zentralbanken zu starken Bremsmanövern gezwungen sein, wenn sich die Inflation hartnäckiger als erwartet erweist. Auch könnte die Corona-​Krise zurückkommen, falls sich eine neue, gefährliche Virusvariante als immun gegen die bestehenden Impfungen erweist. Die geopolitischen Konflikte um die Ukraine und Taiwan könnten weiter eskalieren, auch wenn China und die USA zuletzt scheinbar wieder ein etwas besseres Einvernehmen gefunden haben. Und am Horizont winkt angesichts rasant angestiegener Staatsausgaben eine neue mögliche Schuldenkrise in Europa.

Doch es gibt auch Aufwärtsrisiken: So könnte China nach seiner jüngsten Abkehr von der Null-​COVID-Politik einen Konjunkturaufschwung erleben, der sich auch positiv auf die globale Konjunktur auswirkt. Ausserdem reduziert diese Politikwende internationale Lieferprobleme. Auch könnten die Energiepreise und die Inflation insgesamt schneller als erwartet sinken, was Produktionskosten senken und Zinsreduktionen erlauben würde.




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