Politik/Gesellschaft —   Roland Peter / Publiziert am Montag, 22. Januar 2024

Der Bundesrat sagt NEIN - ich sage JA


zvg

Also dann: Der bürgerlich dominierte Bundesrat hat heute NEIN zur 13. AHV-Rente gesagt. Das war zu erwarten, da doch praktisch alle rechts-konservativen Meinungsmacher gegen den so dringend nötigen Zustupf sind. Als Hauptargument wird immer wieder die unsichere Finanzierung der zusätzlichen Tranche hervorgehoben. Ich habe mich genau über dieses Thema mit einem Berner SVP-Grossrat aus der Nachbargemeinde kurz gestritten. Der Mann ist gut situiert und will seine Altersvorsorge auf privater Basis organisieren. Soll er doch - er kann sich die gebundene Selbstvorsorge leisten, er verdient genug. Doch längst nich alle Lohnempfänger sind in dieser komfortablen Lage. Und viele aktuelle AHV-Empfängerinnen und Empfänger erleben hautnah, wie die Kaufkraft schwindet. Wir können nicht auf eine Lohnerhöhung hoffen, oder gar den Job wechseln, um Ende Monat etwas mehr Kleingeld in der Haushaltskasse zu haben. 

Einige argumentieren auch, dass es ungerecht sei, wenn zum Beispiel Multimilliardär Christoph Blocher plötzlich eine 13. AHV-Rente erhielte. Wie blöd doch solche Spielchen sind. Sollen dafür rund eine Virtelmillion Menschen, die nahe oder bereits unter dem Exisenzminimum leben, abgestraft werden. Wollen wir diese Leute, die ein Leben lang gearbeitet haben, nun im Alter im Stich lassen. Die AHV ist kein Almosen. Es ist eine Versicherung, in die wir Prämien einbezahlt haben, damit wir im dritten Lebensabschnitt den Existenzbedarf angemessen decken können. Und überhaupt: In der AHV erhält niemand mehr als die Maximalrente. Sie beträgt heute 2'450 Franken pro Monat. Doch alle bezahlen auf ihren gesamten Lohn AHV-Beiträge. Selbst Millionenlöhne und -Boni sind AHV-pflichtig.  Dadurch zahlen Topverdienende viel mehr ein als sie bekommen. Ohne, dass sie dafür mehr Rente erhalten als Normalverdienende.

Es ist gewiss ein Schwachpunkt der Initiative, dass sie keine Vorgaben macht, wie die zusätzliche AHV-Rente finanziert werden soll.  Wenn ich jedoch mitbekomme, wie das Parlament Jahr für Jahr mehrere Milliarden genehmigt, die unmittelbar nichts, aber auch gar nichts mit dem Wohlbefinden der schweizer Bevölkerung zu tun haben, dann hege ich berechtigte Zweifel, ob da nicht die 4.1 Milliarden zu finden sind, die eine 13. AHV-Rente kostet. Der Bundesrat schreibt: «Um eine 13. AHV-Rente zu finanzieren, müssten entweder die Lohnabzüge oder die Mehrwertsteuer erhöht werden, was Arbeitnehmende und Arbeitgebende belasten und den Konsum verteuern würde.» Das nenn ich fantasielose Angstmacherei. Der Bundesrat hat in der Botschaft zur Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021-2024 (IZA-Botschaft 2021-2024) 11.25 Milliarden Franken zur Finanzierung der humanitären Hilfe, der Entwicklungszusammenarbeit sowie der Förderung des Friedens und der menschlichen Sicherheit gefordert. Da frage ich mich, ob für die menschliche Sicherheit im Inland nicht auch etwas Geld vorhanden sei. Man kann mir vorwerfen, das ich wenig oder nichts verstehe von Fiskalpolitik, weil ich ja nur Journalist gewesen bin. Aber ich kann lesen und verstehen, was Wirtschaftswissenshaftler schreiben. Wobei ich die Fantasien libertärer Staatshasser bewusst ausblende. Wie viele Mitbewohner dieser Schweiz kann ich mir also vorstellen, dass eine gerechte Steuerpolitik bei den Millionären, Milliardären und Unternehmen das Problem mit den Lohnabzügen oder Erhöhung der Mehrwertsteuer merklich abschwächen würde. An so etwas denken die rechten Politiker nicht einmal, und linke haben den Mut nicht, die Idee anzustossen. Dabei: In der Schweiz gibt es laut UBS und Credit Suisse mehr als eine Million Menschen mit mindestens einer Million US-Dollar  Vermögen. Gemeinsam besitzen die 300 Reichsten 675 Milliarden Franken, wie das Wirtschaftsmagazin Bilanz bekanntgab. Im Jahr 2021 nahm der Staat rund 1,6 Milliarden Schweizer Franken durch Kapitalsteuern juristischer Personen ein. Den mit Abstand grössten Anteil an den direkten Steuern juristischer Personen machten mit 22,88 Milliarden Schweizer Franken die Gewinnsteuern aus. Bei der Unternehmensgewinnsteuer gehört die Schweiz mit einem durchschnittlichen Steuersatz von 14.87 % und einem Tiefststeuersatz von 11,85 % laut einer Erhebung von PwC aus dem Jahr 2022 im internationalen Vergleich zu den Niedrigsteuerländern, nur Irland hat noch tiefere Steuersätze. Ich weiss, mindestens SVP und FDP möchten diese Steuersätze noch senken. Die Reichen sollen eben noch reicher werden, selbst auf Kosten des Mittelstandes und der ärmeren Bevölkerung in der Schweiz. 

Noch etwas. Und dazu zitiere ich Daniel Lampart  Chefökonom SGB: «Milliardendefizite in der AHV prognostizierte der Bund in den 2000er-Jahren. Die UBS sprach im Jahr 2019 von Defiziten in Billionenhöhe. Mitte-Ständerat Pirmin Bischof malte im selben Jahr sogar das Schreckgespenst eines möglichen «Konkurses»  der AHV an die Wand. Die Angstszenarien haben sich bisher nicht bewahrheitet. Der Bundesrat musste seine Berechnungsmodelle revidieren. Gemäss den offiziellen Finanzperspektiven wird die AHV im Jahr 2026 einen Überschuss von  3.5 Milliarden Franken  schreiben. Und die Reserven der AHV  steigen jährlich von Rekord zu Rekord, sie sind bei 50  Milliarden und erreichen am Ende des  Jahrzehnts gegen 70 Milliarden. Warum geht es der AHV gut, obwohl es mehr RentnerInnen gibt? Weil unsere Wirtschaft immer  produktiver wird und die Löhne steigen. Gleichzeitig  beteiligen sich immer mehr Frauen am Arbeitsmarkt. Entsprechend steigen die Beiträge an die AHV. Das solide Finanzierungsmodell der AHV hat sich bewährt. Und warum wird die AHV ständig schlechtgeredet? Weil bedeutende Akteure wie die Grossbanken  oder die Versicherungen ein  grosses Interesse an rabenschwarzen AHV-Prognosen haben. Weil sich dann mehr Leute  überlegen,  selber mehr für das Alter zu sparen und das Geld bei ihnen anlegen. Dann verdienen Banken und Versicherungen nämlich mit, anders als an der AHV. Die 13. AHV-Rente kostet bei  der Einführung jährlich rund  4.1 Milliarden. In dem Jahr decken die geplanten Überschüsse von 3.5 Milliarden also schon  80 Prozent der  Neuausgaben. Um die Differenz und den  Anstieg der Kosten langfristig  zu decken, reichen je 0.4 zusätzliche Lohnprozente von Arbeitnehmenden und Arbeitgebern. Die Kosten sind tragbar. »

In allen bisherigen Argumetarien und Diskussionen habe ich noch etwas vermisst: Die rund 4,1 Milliarden fliessen ja wieder in die Wirtschaft. Sie werden garantiert nicht unter den Matratzen gehortet. 

 




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