Gedanken dazu ... —   Roland Peter / Publiziert am Mittwoch, 11. September 2024

Versöhnung statt Hexenjagd


Die 32-Jährige postete auf Instagram ein Foto, das sie beim Schiessen zeigt.

Sanija Ameti, GLP-Politikerin und Juristin, hat etwas getan, das viele zur Weissglut bringt: Sie schoss mit einer Luftpistole auf ein Bild von Maria und Jesus und teilte diese Aktion auf Instagram. Sicherlich eine unüberlegte Handlung, die berechtigte Kritik hervorruft – aber was danach geschah, das geht zu weit. Die junge Frau erlebt seither einen Albtraum aus Hass, Wut und sogar Morddrohungen. Sie und ihre Familie stehen inzwischen unter Polizeischutz.

Es scheint, als hätten rechte Kreise und religiöse Eiferer ein neues Opfer gefunden. Dass auch die GLP Schweiz mit einem Ausschlussverfahren reagiert, zeigt leider wenig Besonnenheit. Die Medien und sozialen Netzwerke tragen ihren Teil zur Eskalation bei. Natürlich ist es klar, dass man auf keine Bilder von Personen schiesst – erst recht nicht, wenn man als junge, muslimische Frau links engagiert ist. Doch es bleibt eine Ironie, dass beim "Ausschiesset" in Thun Jungen und Mädchen mit der Armbrust auf ein Bild von Gessler schiessen, und dies gefeiert wird. Auch Soldaten haben schon auf Playboy-Bilder geschossen – und wer weiss, was in privaten Schiesskellern als Zielscheibe dient.

Sanija Ameti hat ihren Fehler eingestanden und sich entschuldigt. Manche akzeptierten diese Entschuldigung, während andere sie als weitere Provokation ansehen und die Wut weiter schüren. Die Junge SVP hat Strafanzeige wegen Verletzung der Glaubens- und Kultusfreiheit eingereicht, und auch Nicolas Rimoldi von "Mass-Voll" kündigte eine Anzeige an. Im Berner Kantonsparlament wurde eine Anfrage gestellt, da Ameti als Doktorandin an der Universität Bern tätig ist.

Es fällt auf, dass besonders rechtsbürgerliche Kreise so heftig reagieren. Interessanterweise haben sich kirchliche Vertreter deutlich zurückhaltender gezeigt. Zwar fühlen sich auch viele Katholiken in ihrem religiösen Empfinden verletzt, doch sie schätzen Ametis Entschuldigung und ihren Brief an den Bischof von Chur, in dem sie um Vergebung bittet – ein christlicher Akt, der die Werte der Vergebung und Versöhnung hochhält. Der Schweizerische Katholische Frauenbund drückt es treffend aus: „Menschen machen Fehler. Als Christ sind wir dazu aufgerufen, zu vergeben, anstatt Hass zu schüren.“

Leider scheinen viele Kommentatoren in den Online-Medien diesen Grundsatz vergessen zu haben. Einzig Peter Blunschi von Watson hat in seinem Kommentar einen versöhnlichen Ton getroffen: «Mit ihrer geschmacklosen Aktion hat sie viele Menschen brüskiert. Aber es ist unerträglich, dass man sie als moderne Hexe auf dem virtuellen Scheiterhaufen verbrennt. Immerhin bittet sie um Vergebung, was guter christlicher Tradition entspricht. Irgendwie ist diese auch ihren Hatern abhandengekommen.»

Wir Älteren haben in unserem Leben sicher auch den ein oder anderen Fehler gemacht. Zum Glück gab es in unserer Jugend keine sozialen Medien, die als «virtuelle Scheiterhaufen» genutzt wurden. Bevor wir nun auf Sanija Ameti losgehen, sollten wir unser eigenes Verhalten überdenken. Es gibt keinen Grund, auf ihre unüberlegte Tat mit Hass zu reagieren.

Und übrigens: Im Nahen Osten und im Ukraine-Krieg werden echte Mütter und Kinder erschossen – ohne dass die Junge SVP oder Rimoldi Strafanzeigen einreichen.




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