Gesundheit/Medizin —   Herzstiftung / Publiziert am Donnerstag, 12. September 2024

Forschungspreis 2024: Wie unsere Arterien Schaden nehmen


Prof. Yvonne Döring. Foto: Herzstiftung

Wir befinden uns im Innern einer Arterie. Milliarden von Blutkörperchen, weitere Zellen und Stoffe fliessen hier durch. Man spricht von 150'000 km Blutbahnen im menschlichen Körper, die pro Tag über 8000 Liter Blut transportieren. «Die Gefässe sind wie ein Logistikunternehmen», sagt Prof. Yvonne Döring, «sie sorgen dafür, dass alle unsere Organe mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden.» Und das macht sie so wichtig. Stockt es in der Röhre, entsteht ein Versorgungsengpass. Die Organe erhalten zu wenig Blut, der Herzinfarkt, Hirnschlag und die vaskuläre Demenz gehören zu den schlimmsten Folgen. Im Alter steigt das Risiko dafür, irgendwann findet man bei uns allen Schäden an den Gefässen. Doch nicht bei allen im gleichen Ausmass. Dahinter steckt ein jahrzehntelanger Krankheitsprozess, der durch die Lebensführung und genetische Veranlagung beeinflusst wird.

Der Weg über die Immunologie

Die Krankheit heisst Arteriosklerose. Früher nannte man sie Arterienverkalkung und nahm sie nicht so ganz ernst. Heute blickt man anders darauf. Gesunde Gefässe sind der Schlüssel zum gesunden Altern. Als Biomedizinerin will Yvonne Döring deshalb herausfinden, wie solche Krankheitsprozesse in Gang kommen. Und wie man sie verhindern könnte. Sie arbeitet mit ihren Teams in Labors der Universität Bern. Ihr Spezialgebiet ist die Immunologie der Blutgefässe. Ganz zu Beginn ihres Studiums war dies auch für sie ein Fremdwort. «Ich habe mich geärgert, dass ich so wenig verstand und wollte es besser begreifen», sagt sie. Irgendwann merkte sie, dass sie die Arbeit an diesem Thema fasziniert. Die Immunologie führte sie schliesslich zu den menschlichen Arterien und zur Arteriosklerose. Denn auch hier spielt das Immunsystem eine wichtige Rolle.

Fehlgeleitete Entzündungen

Bei der Arteriosklerose erkrankt die Innenwand der Gefässe, also die Stelle, wo das Blut durchfliesst. Die Erkrankung entsteht durch dauerhaft hohes LDL-Cholesterin im Blut verbunden mit Entzündungsreaktionen. Das LDL-Cholesterin, ein Blutfett, lagert sich in der Innenwand der Gefässe ein. Es häuft sich zu Fettdepots an. Während man den Anstieg der Blutfette intensiv erforscht hat und auch medikamentös gut behandeln kann, weiss man über die Entzündungsreaktionen noch zu wenig. Dabei handelt es sich um zwei gleich wichtige Prozesse, wie neuere Studien nachweisen konnten. Daher ist es wichtig zu verstehen, wie der Körper mit seinem Immunsystem auf die Entzündung reagiert und was er damit bewirkt.

Nutzlose Aufräumarbeiten

Eine Entzündung ist eine Schutzreaktion des Körpers, an und für sich nichts Schlechtes. Gerät sie jedoch ausser Kontrolle oder wird sie chronisch, droht Gefahr. «Bei der Arteriosklerose handelt es sich um eine solche chronische, fehlgeleitete Entzündung», erklärt Yvonne Döring. Sobald sich Blutfett in der Innenschicht der Arterien ansammelt, versucht der Körper dem entgegenzuwirken. Er bekommt eine Aufforderung, mit Aufräumarbeiten zu beginnen. Dazu werden verschiedene Zellen und Stoffe aufgeboten. Doch diese Aufräumarbeiten nützen nichts, im Gegenteil: Immer mehr Immun- und andere Zellen wandern in die Innenschicht der Arterie ein und sterben ab. Immer mehr Blutfett häuft sich dort an. Bis sich das Fettpolster dermassen aufbläht, dass es irgendwann aufplatzt und sich ein gefährliches Gerinnsel bildet.

Die Rolle der Dirigenten

Es ist also die Reaktion unseres Körpers, welche die Verstopfung unserer Arterie fördert. Yvonne Döring interessiert dabei das Zusammenspiel unterschiedlicher Zellen, wie sie sich über Rezeptoren und Botenstoffe untereinander austauschen. Besonders interessant sind Botenstoffe, welche die Immunreaktion in Gang bringen und steuern. Dazu zählen Chemokine und die Chemokinrezeptoren. Chemokine und deren Rezeptoren sind Proteine, die den Immunzellen sagen, wohin sie wandern sollen und was sie dort tun müssen. Sie sind eine Art Dirigenten, die bei einer Arteriosklerose das Richtige wollen, aber das Falsche bewirken. Yvonne Döring hat mit ihren Teams in den letzten fünfzehn Jahren intensiv zu Chemokinen und deren Rezeptoren geforscht. Dafür erhält sie den Forschungspreis der Schweizerischen Herzstiftung 2024.

Ein spezifisches Medikament

Das Resultat ihrer Arbeit zeigt Wege für neue Therapien auf. Denn würde es gelingen, Chemokine deren Rezeptoren, also die Dirigenten, lokal und spezifisch zu hemmen, könnte man Entzündungsprozesse stoppen. Dies ist ein möglicher Ansatz für ein Medikament. «Das ist aber nicht ganz einfach», sagt Döring, «denn an einem anderen Ort im Körper machen die Botenstoffe ihren Job ja richtig.» Um keinen Schaden anzurichten, muss die Wirkung spezifisch sein. «Wir brauchen einen Blocker der direkt am entzündeten Gefäss wirkt und nirgends anders.» Yvonne Dörings Arbeit bildet eine Grundlage um Prozesse zu verstehen, daraus ein Medikament zu entwickeln ist ein langer Weg. «Das wird wohl nicht heute oder morgen passieren», sagt sie, «aber irgendwann können wir hoffentlich die Entzündungen in den Arterien gezielt bremsen.»





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