Wissen —   Johanna Wedl, ref.ch / Publiziert am Freitag, 13. September 2024

Kolonialismus: Geschichte aufarbeiten. Ausstellung im Landesmuseum Zürich


Ein Objekt markiert einen Themenbereich der Kolonialismus-Ausstellung. Die Baumwolle etwa steht für die Versklavung. (Bild: Schweizerisches Nationalmuseum)

Mitte des 19. Jahrhunderts experimentierte Johannes Haas mit Kakaobohnen. Haas war ein Missionar aus Sissach in Baselland. Für die Basler Mission (heute: «Mission 21») leitete er in Akropong (im heutigen Ghana) eine landwirtschaftliche Schule. Trotz aller Bemühungen wollte sich kein Erfolg einstellen.

Erst Tetteh Quarshie gelang der Anbau, einem ehemaligen Sklaven, den die Mission freigekauft und als Werkzeugmacher ausgebildet hatte. Bis heute werde Quarshie in Ghana als Volksheld vereehrt, sagte Pascale Meyer, Kuratorin am Schweizerischen Nationalmuseum, anlässlich eines Medienrundganges im Landesmuseum Zürich.

1815 gründeten fromme, reiche Basler mit Süddeutschen die Basler Mission. Ab 1901 wurden auch unverheiratete Frauen entsandt. «Von ihnen versprach man sich bessere Bekehrungsversuche», erklärte Kuratorin Meyer. Missionsarbeit sei von einer gewissen Ambivalenz geprägt gewesen. Im indischen Kerala etwa errichtete die Basler Mission Schulen und Spitäler.

In der Schau wird nicht nur Missionsarbeit gezeigt. Auch dem Sklavenhandel ist ein Teil gewidmet, ein weiteres Thema ist das Söldnerwesen. Schauerlich erinnert die Ausstellung daran, dass auch Wissenschaftler in den Kolonien unterwegs waren. Forscher des antrophologischen Institutes der Universität Zürich betrieben ab 1910 «intensive Rassenforschung», wie Kuratorin Marilyn Umurungi sagte.

Sie vermassen Menschen und Tiere, fotografierten und klassifizierten sie. Damit trugen sie laut Umurungi wesentlich dazu bei, rassistische Menschenbilder zu verbreiten. Stellvertretend für dieses Kapitel steht ein Kunstwerk, das eine afrikanische Künstlerin lebensgross im Selbstporträt zeigt. In ihrer Hand hält die Frau einen Schädel. Für die Wissenschaftler sei dieser bloss ein Forschungsobjekt, für die Künstlerin jedoch eine Verbindung zu ihren Urahnen, sagte Kurator Raphael Schwere.

Forschung aufrechterhalten

Wie die Vergangenheit bis heute nachwirkt, zeigt schliesslich der Teil der Ausstellung, der die Gegenwart einfängt und die Ausbeutung der Natur ins Zentrum stellt. Plantagen liessen sich nicht nachhaltig bewirtschaften, sagte Schwere. «Der Kolonialismus ist ein Treiber des Klimawandels.» Die Profite flossen in den globalen Norden, während der globale Süden die Kosten tragen müsse. Illustriert wird dies mit Bildern, die den Anstieg des Meeresspiegels vor Senegal zeigen. Dieser frisst den Menschen das Land weg und nimmt ihnen damit die Lebensgrundlage. 

Mit der Ausstellung sei das «sensible» Thema nicht abschliessend behandelt, sagte Denise Tonella, Direktorin des Schweizerischen Nationalmuseums. Geplant ist laut Tonella, die Dauerausstellung zu ergänzen. Die Wissenschaftlerinnen befassen sich auch mit Provenienzforschung, untersuchen also die ursprüngliche Herkunft historischer Objekte, um nach möglichen illegitimen Eigentumswechseln mit Nachfahren faire Lösungen zu finden und damit einen Teil zu einer Wiedergutmachung des Unrechts zu leisten.




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