Ungebetene Post an Rentner von Ex-Bundesrat Ogi und Co.
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Gedanken dazu ...  |  Autor:  Roland Peter  |  PUBLIZIERT:  07.02.2024  |  Zugriffe:  784

Ungebetene Post an Rentner von Ex-Bundesrat Ogi und Co.

Die alt Bundesräte Adolf Ogi (81), Doris Leuthard (60) und Johann Schneider-Ammann (71) wenden sich persönlich mit ihrer Unterschrift an rund 700'000 Rentnerinnen und Rentnern in der Schweiz mit der Bitte, die 13. AHV-Rente abzulehnen. Das hat es, in dieser konzentrierten Art und Weise, noch nie gegeben. Mit einprägsamen Worten warnen sie, dass die Mehrwertsteuern erhöht werden müssten. «Das würde das Leben für alle verteuern – auch für Rentnerinnen und Rentner.»

Das Nein-Komitee der 13. AHV hat da also viel Geld in die Hand genommen, nur schon um die Adressen zu kaufen. Diese stammen aus der Datenbank einer Vermarktungsfirma, sagt SVP-Sprecherin Andrea Sommer zu «20 Minuten». So könne man «mehrere Hunderttausend» Menschen im Rentenalter erreichen. Dass die alternden, ja bald greisen ehemaligen Mitglieder des Bundesrates ein derart fieses Manöver mitmachen, erstaunt mich nicht mehr. Dem Rechtsbürgertum ist jedes Mittel recht, um die 13. AHV-Rente zu verhindern. Und es zeigt auch die heuchlerische Verlogenheit der Absender. Da wird stinkfrech behauptet, die 13. AHV-Rente würde ab 2026 eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von einem Prozent bedingen. Das ist fantasielose Angstmacherei. Denn im Initiativtext steht kein Wort, wie die zusätzliche Rente finanziert werden soll. Bundesrat und Parlament haben es in der Hand, eine vernünftige Lösung zu erarbeiten. Fakt ist: Die AHV macht Überschüsse. Sie hat mit fast 50 Milliarden Franken so hohe Reserven wie nie. Die Kosten der 13. AHV-Rente sind zu 80% schon gedeckt. Für die langfristigen Finanzierungsbedürfnisse reicht zum Beispiel ein zusätzlicher Lohnbeitrag von 0,4% der Arbeitnehmenden. Und da zahlen die Gutverdienenden eben etwas mehr als der Strassenarbeiter oder die Serviertochter. Doch genau das stört die Leute rund um die SVP und FDP. 

In dem Brief geben die ehemaligen Bundesratsmitglieder sogar zu, dass vor allem Rentnerinnen und Rentner «unter der Teuerung, steigenden Mieten und Krankenkassenprämien leiden». Wie schön. Und warum wollen die Heuchler gerade den Rentnerinnen und Rentnern die 13. AHV-Rente verweigern. Weil für sie der Inhalt dieses Satzes nur ein theoretischer Wert ist (oder bestenfalls eine Floskel). Mit einer lebenslangen Jahresrente von rund 250'000 Franken sind diese Leute nicht auf die AHV angewiesen. Und sie wissen nicht wie es ist, wenn die Rente nicht mehr ausreicht, um ein angemessenes Leben zu finanzieren. 

Sie appellieren an das Verantwortungsbewusstsein der Stimmenden. Genau. Hätten sie Verantwortung während ihrer Amtszeit gezeigt, müssten wir nicht über die 13. AHV-Rente abstimmen. Als Bundesräte haben sie einen Eid auf die Verfassung geleistet. Wörtlich steht da: ««Ich schwöre vor Gott dem Allmächtigen, die Verfassung und die Gesetze zu beachten und die Pflichten meines Amtes gewissenhaft zu erfüllen.» 

Laut Artikel 41 der Bundesverfassung (Sozialziele, Absatz 2) muss jede Person gegen die wirtschaftlichen Folgen des Alters gesichert sein. Ferner hält Artikel 112 (Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung) fest, dass die Renten den Existenzbedarf angemessen decken müssen. Genau diesen Auftrag haben die Bundesräte und die Bundesrätin während ihrer Amtszeit nicht erfüllt. Und heute wehren sie sich mit fadenscheinigen, tränendrückenden Argumenten wieder gegen den Verfassungsauftrag. 

Am 6. Juli 1947 wurde das Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung im zweiten Anlauf vom Volk deutlich angenommen und auf den 1. Januar 1948 in Kraft gesetzt. Damals hat niemand Panik gemacht wegen der Finanzierung, weil es eine Notwendigkeit war. Heute ist die 13. AHV-Rente genau so eine Notwendigkeit. Die Nein-Sager drohen, dass nach der Annahme der Initiative der Bund jährlich eine Milliarde Franken mehr in die AHV einzahlen müsste. Dieses Geld müsste der Bund jedoch erst einnehmen oder bei anderen Aufgaben einsparen, z.B. in den Bereichen Bildung und Forschung, Sicherheit oder Landwirtschaft. Das ist wiederum Angstmacherei pur - ohne konkrete Lösungsvorschläge. Bundesrat und Parlament verhalten sich völlig blind und beratungsresistent. Getrieben und gesteuert von Wirtschaft und Lobbyisten werden naheliegende Lösungsansätze überhaupt nicht angedacht. Es wäre nämlich an der Zeit, die übermässigen Milliardengewinne von Banken und Grosskonzernen gerecht zu besteuern, anstatt die Lasten dem Mittelstand aufzubürden. Solange sogar fastkonkursite Unternehmen (wie kürzlich die Credit Suisse) noch Boni in Millionenhöhe auszahlen wollen, muss mir niemand kommen und verlangen, der Metzger oder die Pflegefachfrau müsse 1 Prozent zusätzliche Mehrwertsteuer in Kauf nehmen. Solange Milliarden ins Ausland verschachert werden, muss niemand behaupten, die Schweiz könne es sich nicht leisten, den eigenen Rentnerinnen  und Rentnern eine angemessene Rente zu bezahlen. Ausser eben, es sind Lobbyisten der Privatversicherer, die mit Pensionskassen Unmengen an Gewinnen einsacken. 

Aber jetzt bin ich vom eigentlichen Thema, dem Brief ehemaliger Bundesratsmitglieder, abgewichen. Oder vielleicht doch nicht. Denn es sind tatsächlich Wirtschaftsfachverbände und rechtspopulistische Kreise, die dem eigenen Volk keine 13. AHV-Rente gönnen wollen. 



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