Eine gefährliche Verrohung des politischen Diskurses – Die SVP und ihr Spiel mit der Geschichte
SVP-Mitglieder aus National-. und Ständerat heute Morgen auf dem Bundesplatz. SVP-Präsident Dettling mit Hellebarde. Foto: 20min
Gedanken dazu ...  |  Autor:  Roland Peter  |  PUBLIZIERT:  20.12.2024  |  Zugriffe:  388

Eine gefährliche Verrohung des politischen Diskurses – Die SVP und ihr Spiel mit der Geschichte

Es ging heute Freitagmorgen nicht nur um Inhalte – auch nicht alleine um die viel zitierten Schriften der PUK oder die Vertragsentwürfe mit der Europäischen Union. Vielmehr ging es der SVP offensichtlich um eine bewusst inszenierte Provokation. Die Partei, die nicht selten als „Bauern- und Bonzenpartei“ bezeichnet wird, ignorierte dabei selbst grundlegende rechtliche Vorgaben, wie das Demonstrationsverbot auf dem Bundesplatz während der Session. Dass die Aktion schliesslich einen Polizeieinsatz provozierte, scheint kalkuliert. Die Konfrontation mit Sicherheitskräften hat sich mittlerweile zu einem beliebten Stilmittel einzelner SVP-Exponenten entwickelt – ein fragwürdiges Zeichen in einem politischen System, das auf Dialog und Konsens beruht.

Die Symbolik der Hellebarde

Doch die Inszenierung mit der Hellebarde, jener mittelalterlichen Waffe, mit der Dettling zum Kampf aufrief, wirft tiefere Fragen auf. Diese Waffe ist mehr als ein kurioses Relikt aus vergangenen Zeiten. Sie steht für eine Epoche der Gewalt und Zerstörung, in der Eidgenossen nicht nur gegen fremde Mächte, sondern auch gegen ihresgleichen Krieg führten.

In der Schlacht von Marignano im Jahr 1515 metzelten sich eidgenössische Söldner im Dienste des französischen Königs und des Mailänder Herzogs gegenseitig nieder. Tausende fielen durch «Bruderhand». Ebenso im Ersten Villmergerkrieg von 1656: Die reformierten und katholischen Orte der Eidgenossenschaft standen sich in blutigen Kämpfen gegenüber. Die katholischen Innerschweizer, ausgerüstet mit Hellebarden, siegten durch brutale Sturmangriffe – eine Tragödie, die das Land spaltete und die Wunden des konfessionellen Konflikts vertiefte.

Die Hellebarde, die Dettling in die Höhe hielt, ist nicht bloss ein Symbol, sondern ein Mahnmal für die Zerstörungskraft von innerer Zwietracht und Gewalt. Wer sich dieser historischen Konnotation bedient, trägt eine Verantwortung – sei es aus Unwissenheit, Ignoranz oder absichtlicher Provokation.

Ein Angriff auf die politische Kultur

Die Frage drängt sich auf: Was treibt Marcel Dettling und seine Partei zu solch unverantwortlicher Symbolik? Ist es ein Mangel an historischem Wissen, fehlendes Geschichtsbewusstsein oder schlicht ein kalkuliertes Spiel mit den Emotionen einer ohnehin polarisierten Gesellschaft? Dettling und die SVP bewegen sich mit solchen Aktionen auf einem gefährlichen Pfad. Sie untergraben die Grundlagen unserer Konkordanz-Demokratie und verschieben die Grenzen des Akzeptablen hin zu einer Verrohung des politischen Diskurses.

Dutzende Kommentare in den Online-Medien bejubeln Dettlings Aktion. Dieser Applaus ist ein Alarmsignal. Die Verrohung der politischen Kultur beginnt oft schleichend – und endet in einer Gesellschaft, in der Argumente von Schlagwörtern und Polemik ersetzt werden.

Ein Weckruf an die Schweizerinnen und Schweizer

Unser politisches System basiert auf Dialog, Respekt und der Suche nach Konsens – nicht auf martialischer Symbolik und gewaltbeladener Rhetorik. Was die SVP hier sät, kann gefährliche Früchte tragen. Es ist Zeit, den Anfängen zu wehren. Wir dürfen nicht zulassen, dass die politische Kultur unseres Landes durch solche Aktionen vergiftet wird.

Schweizerinnen und Schweizer, wacht auf. Diese Form der Provokation hat keinen Platz in unserem politischen System. Die Verantwortung, unsere Demokratie zu schützen, liegt bei uns allen – indem wir für die Werte eintreten, die uns zusammenhalten, und jene, die sie untergraben, entschieden zurückweisen.


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