Unterhaltung/Kultur —    / Publiziert am Freitag, 7. April 2023

Vater unser


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Die Kinder. Foto: zvg

Toni, ein attraktiver katholischer Priester, schwängerte in den Fünfzigerjahren mehrere Frauen, bis ihn der Bischof suspendiert hat. Nach seinem Begräbnis lernen sich all seine erwachsenen Kinder kennen und tauschen sich aus. Miklós Gimes erzählt im Dokumentarfilm «Unser Vater» Geschichten, die erschüttern, verärgern und zum Denken anregen.In den nächsten Tagen finden mehrere Premièren- und Podiumsvorstellungen satt.

Anmerkungen des Regisseurs Miklós Gimes: Der Anstoss zu diesem Film kam von einer sechzigjährigen Frau aus Dietikon. Ihr Vater sei ein katholischer Priester, erzählte sie, er habe einige Kinder in die Welt gesetzt und die Mütter allein zurückgelassen; die Kirche habe alles gewusst und tatenlos zugeschaut. «Das ist doch ein Filmthema», sagte sie. Na ja, meinte ich zurückhaltend, über die Sexualmoral der katholischen Kirche ist in den Medien schon viel berichtet worden, und von Religion verstehe ich nichts. Doch irgendetwas machte mich neugierig.

Wir verabredeten uns im Zürcher Bahnhofbuffet, die Frau brachte ihre Geschwister mit. Sie erzählten alle ihre Geschichten und wie ihre Mütter verführt wurden. Ich schaute in die sechs Gesichter und spürte, dass dieses Projekt eine Gelegenheit war, unter die Oberfläche des Schweizer Alltags zu blicken. Hinter den Schein und die Doppelmoral. Der rote Faden der Filmgeschichte würden der Priester-Casanova, die vier Mütter, die sechs Kinder und ihre Verflechtungen sein. Doch was mich vor allem reizte, war die einmalige Möglichkeit, Menschen vor der Kamera zu haben, die bereit waren, über Themen zu reden, die man eher meidet. Über Familienangelegenheiten, über Scham und Verletzungen. Mir wurde klar, dass ich den Film machen will.

So begann eine Zeitreise, die mich hinaustrug in die Dörfer, die Schweiz der 50er- und 60er-Jahre des letzten Jahrhunderts, der Generation unserer Eltern und Grosseltern. Ich habe eine Welt entdeckt, die ich nicht kannte, die Welt der Familiengeheimnisse und des Schweigens. Entstanden ist ein intimer, persönlicher Film. Die Protagonistinnen und Protagonisten haben mir vertraut. Es war, als hätten sich bei der Dreharbeit Wunden aufgetan, als sei ein Riss durch die Sprachlosigkeit gegangen. Das Thema der Kirche, des Zölibats und der Sexualmoral jener Zeit, schwingt mit. Aber darüber hinaus transportiert der Film das Klima einer Gesellschaft, die bereits Geschichte ist – doch nur auf den ersten Blick. Denn sie lebt weiter, abgelagert in den Genen, der Mentalität unseres Landes.

Mehr zum Film und den Vorführungsdaten: https://unservater.ch/




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