Technik/Digital —   Blinden- und Sehbehindertenverband / Publiziert am Dienstag, 5. September 2023

Fehlende Digitale Barrierefreiheit schliesst Hunderttausende Menschen aus


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Hunderttausende von Menschen in der Schweiz sind sehbeeinträchtigt. Aufgrund der demographischen Veränderung – immer mehr Menschen werden immer älter – steigt die Zahl der Betroffenen. Nun startet der Schweizerische Blinden- und Sehbehindertenverband (SBV) eine landesweite Sensibilisierungskampagne mit dem Ziel, all diesen Menschen den Zugang zu Alltagsdingen und dem öffentlichen Leben zu ermöglichen: Mit digitaler Barrierefreiheit.

Denn: Billettautomaten, Apps, Kochherd oder Kaffeemaschinen, die Digitalisierung ist in fast allen Lebensbereichen angekommen. Bisher meist vergessen ging dabei, dass digitale Produkte und Inhalte genauso barrierefrei sein müssen wie physische. «Bei Barrierefreiheit denken die meisten an Trottoirs und Ähnliches», sagt Roland Studer, SBV-Präsident. «Dies ist auch weiterhin zentral. Was bisher aber komplett unterging: die digitale Barrierefreiheit.» 

Wirtschaft und Politik im Fokus

Die Digitalisierung betrifft heutzutage nicht nur fast alle Lebensbereiche, sie entwickelt sich auch rasend schnell weiter. «Nur, wenn Barrierefreiheit von Anfang an mitgedacht und mitentwickelt wird, haben Produkte und Anwendungen eine Chance, problemlos barrierefrei zu sein», so Präsident Studer. Um das zu erreichen, wendet sich der Verband unter dem Titel ‘Digitale Barrierefreiheit. Jetzt.’ mit einer grossangelegten Sensibilisierungsoffensive an die Bevölkerung. 

Im Fokus stehen dabei die Wirtschaft, die Politik und die Bevölkerung selbst. «Für umfassende digitale Barrierefreiheit braucht es das Bewusstsein von Anbietern und Dienstleistern, die nötigen Vorgaben aus der Politik und die Sensibilisierung jedes Einzelnen von uns», sagt Vorstandsmitglied Luana Schena, verantwortlich unter anderem für die Interessenvertretung beim SBV. 

Aufgrund der fehlenden Barrierefreiheit können nämlich viele Produkte, Webseiten, Apps sowie Alltags-Dienstleistungen wie Kaffeemaschinen und Billettautomaten nicht oder nur erschwert selbstständig bedient werden. Dies widerspricht sowohl der 2014 von der Schweiz ratifizierten UN-Behindertenrechtskonvention als auch dem Behindertengleichstellungsgesetz von 2004 und erschwert oder verunmöglicht die Teilhabe von Betroffenen enorm. 

Gleichzeitig bietet die Digitalisierung Chancen, die es zu nutzen gilt. «Eines der stossendsten Defizite ist die fehlende Barrierefreiheit für blinde Menschen und Menschen mit Sehbeeinträchtigung in Bezug auf die Wahrnehmung ihres Stimm- und Wahlrechts sowie den Schutz ihres Stimmgeheimnisses», sagt Roland Studer. «Hier müssen Politik und Behörden die Chancen nutzen und durch eine barrierefreie digitale Lösung, also dem E-Voting, diesen gravierenden Missstand beheben.» Das gleiche gelte für das E-Collecting: Die derzeitige, nicht barrierefreie Regelung, dass Unterschriftensammlungen physische Unterschriften benötigen, könnte mit E-Collecting ersetzt und barrierefrei gelöst werden.

Verband fordert: Umgehende Einführung des E-Votings zur Beseitigung der Diskriminierung  

Die konkrete Forderung des SBV: «Die Parlamentswahlen 2023 müssen die letzten Wahlen gewesen sein, die nicht barrierefrei sind», so der SBV-Präsident.

Die umgehende, breit angelegte Umsetzung digitaler Barrierefreiheit wird auch aus der Politik breit unterstützt. An der Medienkonferenz in Bern zur Lancierung von Kampagne und Forderungen verliehen zahlreiche Politikerinnen und Politikern dem Anliegen ihre Unterstützung.

Zentraler Kampagnenteil: Erster Hackathon Digitale Barrierefreiheit 

Zusätzlich zur Sensibilisierungsoffensive und den Forderungen an Dienstleister, Behörden, Politik und Gesellschaft erarbeitet der Verband im Rahmen der Kampagne auch Lösungen: Programmiererinnen, Entwickler und Digitalexpertinnen und -experten führen mit dem Digital Inclusion Hackathon erstmalig einen Hackathon durch, bei dem Beispiele erarbeitet werden, wie digitale Barrierefreiheit in bestehende Anwendungen integriert und bei neuen von Anfang an eingeplant werden kann. Mehr Informationen: www.barrierefreiheit-jetzt.ch.

Unterstützungsbotschaften Parlamentarierinnen und Parlamentarier

  • Delphine Klopfenstein Broggini, Nationalrätin, GRÜNE/GE: «Das digitale Zeitalter muss mit Chancengleichheit einhergehen. Sehbehinderte Menschen müssen ihre Rechte ungehindert ausüben können, das gilt auch für ihre politische Teilhabe.»
  • Marianne Maret, Ständerätin, Die Mitte/VS: «Ich engagiere mich dafür, dass bei politischen Entscheidungen darauf geachtet wird, dass möglichst viele Barrieren abgebaut werden, die die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in die digitale Welt behindern.»
  • Gerhard Andrey, Nationalrat, GRÜNE/FR: «Die Digitalisierung durchdringt immer mehr Lebensbereiche. Aber auch 20 Jahre nach der gesetzlichen Verankerung digitaler Barrierefreiheit, sind immer noch viel zu viele Hürden vorhanden. Das muss ändern!»
  • Franziska Roth, Nationalrätin, SP/SO: «Eine wirklich freie Gesellschaft zeigt sich an der Teilhabe aller und insbesondere von Menschen mit Behinderungen. Inklusion bedeutet Zugehörigkeit. In einer inklusiven Gesellschaft sind alle Menschen willkommen, niemand wird ausgegrenzt.»
  • Gabriela Suter, Nationalrätin, SP/AG: «Alle Menschen sollen gleichermassen am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Dazu gehört auch der digitale Raum. Personen mit visuellen, auditiven oder kognitiven Einschränkungen können digitale Informationen aber oft nicht oder nur eingeschränkt nutzen. Es ist höchste Zeit für eine Sensibilisierungskampagne, die den Weg ebnet für echte digitale Barrierefreiheit!»




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