Gesundheit/Medizin —   Uni Zürich / Publiziert am Donnerstag, 21. Juli 2022

Tabuthema Verstopfung: Warten Sie nicht zu lange. Ärztliche Hilfe bringt Erleichterung


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Mit einer Verstopfung – der Obstipation – hat wohl jeder Mensch irgendwann im Leben einmal zu tun. Oft stecken eine falsche Ernährungsweise und Bewegungsmangel dahinter. Aber auch bestimmte Krankheiten können dafür verantwortlich sein. Meist verschwindet die Verstopfung innerhalb kurzer Zeit durch eine veränderte Lebensweise oder Behandlung wieder, allerdings ist das nicht immer der Fall. Bei manchen Menschen bleiben die Verdauungsprobleme länger als drei Monate bestehen. Eine Verstopfung kann den Alltag und die Lebensqualität erheblich schmälern. Das gilt besonders, wenn die Obstipation chronisch ist.

Die Verstopfung ist keine eigenständige Krankheit, sondern ein Symptom dafür, dass im Körper etwas nicht stimmt. Und: Sie beschreibt ein subjektives Gefühl, dass man den Stuhl nicht häufig genug, in ausreichender Menge, in der richtigen Konsistenz und nur unter Beschwerden ausscheiden kann.

Verstopfung – ab wann?

Nicht jeder, der ab und zu nicht auf die Toilette gehen kann, leidet sogleich unter Verstopfung. Die Häufigkeit der Stuhlgänge ist individuell sehr verschieden und hängt von verschiedensten Faktoren ab, auch von Ihrem Lebensstil.

Wir wenden grob folgende Regel an: Eine Verstopfung liegt vor, wenn ein Mensch weniger als drei Stuhlgänge pro Woche hat. Alle anderen Stuhlhäufigkeiten – von dreimal am Tag bis zu dreimal pro Woche – gelten als normal.

Doch allein die Häufigkeit des Stuhlgangs ist noch nicht aussagekräftig genug. Denn manche haben zwar regelmässigen Stuhlgang, aber ziemliche „Mühe“ mit diesem. Eine Verstopfung könnte auch vorliegen, wenn

  • der Stuhl sehr hart ist – Betroffene müssen oft stark pressen,
  • die Entleerung unregelmässig und unvollständig ist,
  • der Stuhlgang mühsam und schmerzhaft ist, manche müssen sogar ihre Finger zu Hilfe nehmen.
  • Von chronischer Verstopfung sprechen wir erst dann, wenn Sie länger als drei Monate mit solchen Problemen beim Stuhlgang zu kämpfen haben.

Verstopfung – Häufigkeit und Alter

In den westlichen Ländern wie der Schweiz leiden ungefähr 15 Prozent der erwachsenen Bevölkerung an Verstopfung. Insgesamt gerät die Verdauung bei Frauen deutlich häufiger ins Stocken als bei Männern. So bekommen es viele Frauen in der Schwangerschaft, Stillzeit oder in den Wechseljahren mit Verstopfung zu tun. Die Ursache liegt in den hormonellen Veränderungen in diesen Lebensphasen. Die weiblichen Hormone Progesteron und Gestagen sind hier mit am Werk.

Mit zunehmendem Alter tritt die Verstopfung immer häufiger auf, vor allem bei Männern. Gründe sind meist Bewegungsmangel, aber auch die Einnahme von Medikamenten, die als Nebenwirkung eine Verstopfung hervorrufen können.

Verstopfung: Ursachen und Risikofaktoren

  • Es gibt viele verschiedene Ursachen, die den Darm träge werden lassen und eine Verstopfung auslösen können. Mögliche Risikofaktoren für eine Obstipation können sein:
  • Falsche Ernährung: Zu geringer Verzehr von Ballaststoffen (Vollkornprodukte, Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Samen), zu geringe Flüssigkeitszufuhr (empfohlen sind mindestens 1.5 bis 2 Liter pro Tag). Allerdings hat nicht jeder Mensch, der sich ungesund ernährt, zwangsläufig eine Verstopfung – und umgekehrt: Wer sich sehr gesund ernährt, ist nicht unbedingt vor Darmträgheit gefeit. So neigen vermutlich manche Menschen eher zur Verstopfung als andere.
  • Bewegungsmangel: Viele Menschen sitzen in ihrem Alltag zu viel – in ihrem Job am Schreibtisch oder zu Hause vor dem Fernseher oder PC. Das macht auch den Darm träge. Bewegung hingegen regt die Darmtätigkeit an.
  • Veränderter Lebensrhythmus: z.B. Stress in Beruf, Schule, Ausbildung oder zu Hause, aber auch Reisen können die Darmtätigkeit erlahmen lassen.
  • Ungesunde Stuhlgewohnheiten: Manche halten den Stuhl zurück, zum Beispiel weil sie gerade in einem Meeting sitzen, der Weg zur Toilette weit ist oder keine hygienische Toilette in der Nähe ist.
  • Schwangerschaft, Stillzeit, Wechseljahre, Menstruation: Die hormonellen Veränderungen können in einer Verstopfung münden.
  • Einige Medikamente lösen als Nebenwirkung möglicherweise Verstopfung aus. Beispiele sind Schmerzmittel (z.B. Opiate), Eisen- und Lithiumpräparate, Mittel gegen Bluthochdruck, harntreibende Mittel (Diuretika), Neuroleptika (bei Psychosen) oder Antidepressiva.
  • Missbrauch von Abführmitteln: Diese Arzneien können bei längerer Verwendung selbst Verstopfung verursachen.
  • Krankheiten: Krebserkrankungen, Schilddrüsenkrankheiten, Depressionen, neurologische Erkrankungen (z.B. Parkinson-Krankheit, Multiple Sklerose) oder Muskelerkrankungen (z.B. Muskeldystrophie, Myasthenia gravis)
  • Ursachen für Verstopfung: Darmfunktionsstörungen
  • Auch Darmfunktionsstörungen können für die Verstopfung verantwortlich sein. Diese lassen sich so beschreiben:
  • Verlangsamte Dickdarmbewegungen: Der Dickdarm arbeitet nicht ausreichend schnell und benötigt viel länger, um den Stuhl in Richtung Darmausgang zu befördern. Der Dünndarm liefert immer weitere Produkte der Verdauung nach, die sich dann im Dickdarm sammeln und stauen. Der Darminhalt verweilt dort länger und ihm wird verstärkt Flüssigkeit entzogen – so wird die Konsistenz des Stuhls schliesslich fest und hart.
  • Entleerungsstörungen: Zwar arbeitet der Dickdarm so, wie er soll, aber der Enddarm ist blockiert. Betroffene können den Stuhl nicht oder nur sehr mühsam entleeren. Oft können Ärztinnen und Ärzte keine organische Ursache für die Darmfunktionsstörungen finden, sondern die Probleme sind rein funktioneller Natur. Daher sprechen sie auch von funktioneller Obstipation.
  • Darmkrankheiten als Ursache der Verstopfung
  • Auch bestimmte Darmkrankheiten können mit einer Verstopfung verknüpft sein. Dazu gehören unter anderem das Reizdarm-Syndrom (RDS oder kurz Reizdarm)
  • Entzündete Ausstülpungen (Divertikel) im Darm – Divertikulitis heisst dieses Krankheitsbild
  • Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED): Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
  • Seltener: Darmpolypen, Darmverwachsungen, Darmkrebs
  • Erschwerend auf den Stuhlgang wirken sich meist auch schmerzhafte Analfissuren, Analabszesse oder Hämorrhoiden aus.

Symptome: Verstopfung sorgt für erschwerten Stuhlgang

Die Verstopfung ist keine eigenständige Krankheit, sondern ein Symptom. Sie kann mit vielen weiteren unangenehmen Beschwerden verbunden sein. Kennzeichnend für eine Verstopfung sind:

  • Harter Stuhlgang, der oft starkes Pressen erfordert und somit oft schmerzhaft ist.
  • Die Stuhlfrequenz beträgt weniger als dreimal pro Woche.
  • Völlegefühl, Gefühl des „Aufgeblähtseins“
  • Bauchschmerzen
  • Blähungen
  • Gefühl der unvollständigen Entleerung
  • Gefühl, der Enddarm sei blockiert

Auch wenn eine Verstopfung sehr unangenehm sein kann und den Alltag und die Lebensqualität beeinträchtigt – gesundheitlich gefährlich ist die Obstipation in der Regel nicht. Es bilden sich auch keine giftigen Stoffe, wenn der Stuhl länger im Darm verbleibt. Wenn zur Verstopfung weitere Symptome kommen, sollen Sie immer sofort eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen und diese abklären lassen. Dazu gehören unter anderem:

  • Blut im Stuhl (dies ist immer ein Fall für einen Arztbesuch)
  • Unerklärlicher Gewichtsverlust
  • Ãœbelkeit, Erbrechen, Bauchkrämpfe, Koliken – dies können Anzeichen für einen Darmverschluss sein. Hier muss sofort gehandelt werden.

Diagnose Verstopfung – so gehen wir vor

Suchen Sie immer Ihre Ärztin oder Ihren Arzt auf, wenn Sie über längere Zeit Probleme mit dem Stuhlgang haben. Auch wenn Verdauungsprobleme zu den Tabuthemen gehören – für uns sind sie ganz normaler Alltag. Am Anfang steht das Gespräch zu Ihrer Krankengeschichte, die Anamnese. Diese und andere Fragen helfen uns schon bei einer ersten Einschätzung:

  • Wie häufig haben Sie Stuhlgang – pro Tag, pro Woche?
  • Seit wann leiden Sie unter Verdauungsproblemen?
  • Bessern diese sich zwischendurch wieder?
  • Sind Krankheiten bei Ihnen bekannt?
  • Nehmen Sie Medikamente ein? Wenn ja: welche und seit wann?
  • Haben Sie viel Stress im Alltag?
  • Wie steht es um Ihren Lebensstil? Ernährungsgewohnheiten, Bewegung, sportliche Aktivitäten?

Dann folgt in der Regel eine körperliche Untersuchung: Die Ärztin oder der Arzt tastet den Bauch ab und spürt mit ihren oder seinen Händen Auffälligkeiten auf. Über ein Stethoskop kann sie oder er die Darmgeräusche abhören. Durch eine Tastuntersuchung des Enddarms mit dem Finger (digitale rektale Untersuchung, DRU) lassen sich Veränderungen feststellen, die als Ursache der Verstopfung in Frage kommen könnten.

Aufschlussreich ist manchmal auch eine Blutuntersuchung (Rückschlüsse auf vorhandene Krankheiten) oder ein Blut-im-Stuhl-Test (er weist verstecktes Blut im Stuhl nach). Bringen diese Untersuchungen keine aussagekräftigen Ergebnisse, folgen manchmal eine Ultraschalluntersuchung (Sonografie), Röntgenaufnahme oder eine Darmspiegelung (Koloskopie).


Störungen der Darmfunktion – Diagnose

Störungen der Darmfunktion lassen sich mit folgenden Tests aufdecken:

Hinton-Test: Sie nehmen an sechs Tagen jeweils eine Kapsel mit bestimmten Substanzen (Markern) ein, die später (am Tag sieben) auf dem Röntgenbild sichtbar sind. Wir können mit dem Hinton-Test feststellen, wie lange der Stuhl im Darm verbleibt und an welcher Stelle sich die Verstopfung bildet, also im Dick- oder Enddarm. Ein träger Dickdarm ist vermutlich verantwortlich, wenn die Verweildauer mehr als 60 Stunden beträgt. Liegt diese zwischen 30 und 40 Stunden, steckt hinter der Verstopfung wahrscheinlich eine Entleerungsstörung – der Enddarm ist blockiert.

Anorektale Manometrie: Durch dieses Verfahren lässt sich der Druck im Enddarm messen und die Kraft des Schliessmuskels bestimmen. Die Methode funktioniert über eine kleine Sonde mit einem aufblasbaren Ballon an der Spitze, die im Enddarm platziert wird. Die anorektale Manometrie zeigt, wie gut der Schliessmuskel und Enddarm funktionieren und zusammenarbeiten.

Verstopfung: Vorbeugen, Früherkennung, Prognose

Einer Verstopfung zu 100 Prozent vorbeugen können Sie nicht. Fast jeder hat im Lauf seines Lebens einmal mit der Obstipation zu tun. Wohl aber gibt es einige Massnahmen, mit denen Sie das Risiko für eine Verstopfung senken können. Einige allgemeine Tipps:

Essen Sie ausreichend Ballaststoffe, die förderlich für die Verdauung sind. Gute Ballaststofflieferanten sind Vollkornprodukte (z.B. Reis, Nudeln, Brot, Getreide), Obst (auch Trockenfrüchte), Gemüse, Samen (z.B. Leinsamen, Flohsamen), Nüsse und Hülsenfrüchte (z.B. Linsen, Erbsen, Bohnen).

Achten Sie auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr: Empfohlen sind 1.5 bis 2 Liter pro Tag, an warmen Tagen auch mehr. Wählen Sie kalorienarme Getränke wie Wasser, ungesüsste Tees oder Fruchtsaftschorlen.

Bewegen Sie sich viel im Alltag und treiben Sie Sport. Unternehmen Sie häufiger stramme Spaziergänge (z.B. nach dem Essen). Gut sind auch Ausdauersportarten wie Schwimmen, Radfahren, Nordic Walking oder Wandern. Auch Tanzen ist gesund.

Verlauf und Prognose bei Verstopfung

Der Verlauf und die Prognose bei Verstopfung hängen davon ab, welche Ursache zugrunde liegt. Bei den meisten Menschen verschwindet die Darmträgheit innerhalb weniger Tag von selbst oder durch geeignete Massnahmen (ballaststoffreiche Ernährung, viel trinken, ausreichende Bewegung). Sind allerdings bestehende Krankheiten oder die Einnahme von Medikamenten an der Obstipation schuld, ist es nicht so einfach. Wir müssen die Grunderkrankung ausreichend behandeln oder – im Fall der Medikamente – die Dosis verringern beziehungsweise ein anderes Präparat wählen. Manchmal kann die Verstopfung sogar chronisch werden – dann halten die Verdauungsproblem länger als drei Monate an. Dies ist äussert unangenehm und kann die Lebensfreude schwer beeinträchtigen.

Verstopfung: Behandlung hängt vom Auslöser ab

Die Behandlung einer Verstopfung hängt immer davon ab, welche Ursache zugrunde liegt. Ist zum Beispiel Ihr Lebensstil beteiligt, können Sie selbst einiges tun, um Ihrem Darm wieder „Beine“ zu machen. Einige Tipps:

  • Ernährung umstellen
  • Ballaststoffpräparate
  • Stress vermeiden
  • Abführmittel bei Verstopfung




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